Interview 02/17
Rhenus baut Elektrotransporter mit individuellem Aufsatz
Rhenus SML N.V., eine Tochtergesellschaft von Rhenus Automotive Systems, übernimmt in Belgien die komplette Fertigung eines neuen Elektrotransporters, der insbesondere für Letzte-Meile-Lieferungen, also Transporte bis an die Haustür, geeignet ist. Rhenus-SML-Geschäftsführer Stefan Maussen erzählt von dem innovativen Projekt und den Herausforderungen der Automotive-Branche.
Stefan Maussen
SAUBER UND LEISE UNTERWEGS
MT10 Technische Daten
Herr Maussen, Sie leiten bei Rhenus SML seit Mitte 2016 das Projekt für den Kunden Addax Motors. Um was für ein Fahrzeug handelt es sich genau?
Maussen: Das MT10 ist ein leichtes Transportfahrzeug mit einer Ladefläche, die flexibel an die Wünsche und Vorgaben des Kunden angepasst wird. Es gibt beispielsweise verschiedene Aufsätze für die Ladefläche und spezielle Ausstattungsmöglichkeiten. Das MT10 wird mit einem herkömmlichen Elektromotor angetrieben und zusätzlich mit einer Lithium-Ionen-Batterie unterstützt. Das Modell hat ein Ladevolumen von fünf Kubikmetern, erreicht eine Geschwindigkeit von bis zu 70 km/h und kann mit bis zu einer Tonne Gewicht beladen werden. Somit übertrifft es derzeit jegliche Konkurrenz in diesem Bereich. Addax Motors hat das Credo „mobility as a service“. Alle neuen Fahrzeuge sind daher mit einer 3G-Internetverbindung ausgestattet, die eine kurzfristige und effektive Vor-Ort-Analyse und den Support bei Problemen möglich macht. Außerdem kann der Eigentümer so die Position des Fahrzeugs in Echtzeit nachverfolgen.
Wofür wird ein solches Fahrzeug verwendet?
Maussen: Das Elektrofahrzeug kann für kurze Fahrten eingesetzt werden, beispielsweise Letzte-Meile-Lieferungen von Paketen und Post in Innenstädten. Diese Art Fahrzeug und die damit verbundenen Services werden insbesondere in Verbindung mit den Herausforderungen der Urbanisierung und den europäischen Zielen zur Reduktion von Emissionen immer wichtiger.
Und gibt es hierfür bereits einen entsprechenden Markt?
Maussen: In der Tat! Viele Städte haben bereits damit begonnen, den Verkehr im Stadtzentrum zu minimieren, so- mit die Geräusch- und Luftbelastungen zu reduzieren und die Lebensqualität zu erhöhen. Solche Ziele verfolgt Addax bereits in Zusammenarbeit mit den Städten Antwerpen und Mechelen. Vergleichbare Initiativen gibt es auch in Deutschland mit dem StreetScooter, einem Elektrotransporter der Deutschen Post. In den nächsten fünf Jahren werden sich die Anforderungen an Fahrzeuge im Stadtverkehr aufgrund des zunehmenden Online-Shoppings stark verändern. Dafür braucht es innovative Lösungen mit Elektrofahrzeugen.
Wie kam es zu der Zusammenarbeit für dieses Projekt?
Maussen: Rhenus SML, gegründet 1985, war früher Dienstleister für das Ford-Werk Genk. Von der reinen Lagerung von Stahl-Coils haben wir uns zum Contract Manufacturer für das Automobilwerk entwickelt. Aufgrund der Schließung des Werks Ende 2014 sind wir dank unserer starken Automotive-Erfahrung über den belgischen Technologie-Verband Agoria mit dem Unternehmen Addax Motors in Kontakt getreten. Addax Motors war bereits dabei, ein kleines Elektrofahrzeug zu entwickeln, aber ihnen fehlten die Kompetenzen, um dieses Projekt zu industrialisieren, also von der Prototyp-Fertigung bis zur Serienproduktion zu entwickeln. Als erfahrenes Unternehmen wurde Rhenus dann ausgewählt, die komplette Fertigung für das Fahrzeug zu übernehmen.
Welche Aufgaben übernimmt Rhenus in der Produktion?
Maussen:Zunächst haben wir für Addax Motors den Prototyp gebaut und anhand dessen die Serien-Produktion und den Ablauf des Fertigungs-Prozesses in der Anlage geplant sowie die Lieferkette definiert. Anschließend folgte eine Probeproduktion, anhand der die Prozesse weiter angepasst und verbessert wurden. Dazu gehört auch die Inbound-Logistik, also die Anlieferung der Einzelkomponenten. Diese wird digital nachverfolgt und zeitlich genau abgestimmt, damit alle Komponenten rechtzeitig für den Einbau im Werk sind, aber auch nicht zu viel Material vorgelagert wird. So wird weniger Kapital gebunden. Anschließend übernehmen wir auch den Qualitätstest und die Überprüfungen des Fahrzeugs vor der Auslieferung. Heute sind wir serienreif – das bedeutet, die Serien-Produktion für das MT10 ist gestartet und wir fahren jetzt das Produktionsvolumen stetig hoch.
Und wie geht es dann weiter?
Maussen: Nach der Zunahme der Produktionskapazität und des Vertriebs plant Addax Motors die Entwicklung neuer Modelle. Wir werden durch unsere Erfahrung und gute Positionierung in der Lage sein, das Unternehmen beim Wachstum im europäischen Markt weiter zu unterstützen. Erst kürzlich wurden zum Beispiel die ersten Fahrzeuge nach Schweden geliefert.
Welche Entwicklungen strebt Rhenus SML in den nächsten Jahren an?
Maussen: Momentan sind wir als lokales Unternehmen in einer wichtigen Transformationsphase. Gemeinsam mit Rhenus Automotive wollen wir in BeNeLux weitere Kunden akquirieren. Als Standort wollen wir uns aber nicht nur auf Automotive konzentrieren. Daher ist es gut, dass wir zur Rhenus-Familie gehören, denn hier gibt es verschiedenste Kompetenzen in Logistik-Bereichen. Dieses Netzwerk wollen wir nutzen, um den Standort in Genk weiterzuentwickeln. Das Know-how, das wir aus dem Automotive-Bereich haben, wie das Managen von Supply Chains und die Qualitätskontrolle, sind übertragbar auf andere Geschäftsbereiche.
Wie sehen Sie die Zukunft der Automobilindustrie und Logistik?
Maussen: Der Ausblick für die Automobilindustrie ist viel- versprechend, aber die Branche wird aufgrund der Veränderungen der Geschäftsmodelle, neuer Technologien, Urbanisierung, steigender Kundenerwartungen und globaler Liefernetzwerke auch komplexer werden. Wenn man sieht, wie sehr die Komplexität von Einzelprodukten bereits gestiegen ist, wird die weitere Individualisierung die Branche vor große Herausforderungen stellen. Daher ist es wichtig, diese Veränderungen und Innovationen aktiv zu gestalten, um stets für die Kunden Mehrwerte zu liefern und damit wettbewerbsfähig zu bleiben.